Minderheitsregierungen – ein Gewinn für die Demokratie?

Die Idee der parlamentarischen Demokratie setzt voraus, dass sich die Interessen der Wählerschaft in einem frei gewählten Parlament abbilden. Ein in diesem Sinne repräsentatives Parlament wählt dann mit Mehrheit die Regierung oder den Regierungschef, sodass sich der mehrheitliche Wählerwille auch im Regierungshandeln — zumindest der groben Richtung nach — abbilden kann. Doch was geschieht, wenn keine klare Mehrheit hinter einer Regierung steht? In einer zunehmend fragmentierten politischen Landschaft wird das Ideal der Mehrheitsregierung zunehmend zur Herausforderung. Hier bieten sich Minderheitskabinette als Ausweg an. Sind sie nur eine Notlösung oder bieten sie Chancen für eine Erneuerung des Parlamentarismus?

Die Entwicklung des Parlamentarismus

Eine gewählte Regierung ist ein wichtiger Unterschied zur konsti­tutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts. Dort ernannte der Herr­scher oder die Herrscherin — meist aus einer aristokratischen Familie — die Regierung. Um das aristokratische Privileg zu beseitigen, boten sich grob gesagt zwei Möglichkeiten: Entweder wird das Staatsoberhaupt vom Volk gewählt (präsidiale Demokratie) oder vom Parlament (parlamentarische Demokratie). In der präsidialen Demokratie ernennt das Staatsoberhaupt die Regierung und lässt sie vom Parlament bestätigen. Vom Standpunkt der Gewaltenteilung könnte letz­teres als unnötig oder gar system­widrig erscheinen, erhält doch die Legislative einen starken Zugriff auf die Exekutive. In Wirklichkeit ist dies aber Ausdruck der Kontrollfunktion der Legislative über die Exekutive.

---

(Download PDF rechts oben)