Dokumentation: Offener Brief und Antwort
In dem Offenen Brief heißt es: "Wir sind sowohl über die Entstehung, wie auch über die Arbeitsmethode und den Inhalt dieses Netzwerks beunruhigt." Diese Beunruhigung wird an folgenden Punkten festgemacht: Bei der Stuttgarter Versammlung sei ein "deutlich umrissener Plan" vorgetragen worden, insoweit sei der Meinungsaustausch nicht wirklich "offen" gewesen. Es sei am 25.11.[1989] um eine Privat-Initiative von Strawe gegangen, die man nur befürworten oder die man habe ablehnen können. Daher habe gar keine "Netzwerk"-Konstitution stattgefunden. Es sei unzulässig, das Netzwerk als "internationale Arbeitsgemeinschaft" zu bezeichnen.
Es wird gefragt, ob Strawe eine Anleitungsfunktion für die Dreigliederungsbewegung beanspruche. In der Dienstleistungsfunktion des Netzwerk-Büros und der Tatsache, daß das Büro sich selbst als Initiative beteiligt, liegt für die Unterzeichner ein Widerspruch. Die Veröffentlichung des Dreigliederungs-Aufrufs im Rundbrief wird als Instrumentalisierung der Dreigliederungsbewegung für eine Privat-Initiative gewertet.
Es wird unterstellt, die Koordinierungsstelle (Strawe) wolle sich zum Richter über die Kompetenz anderer Dreigliederer aufwerfen und den Kurs allein bestimmen. In diesem Zusammenhang wird die redaktionelle Verantwortung für den Rundbrief kritisch hinterfragt (bestimmt Strawe, was in den Rundbrief kommt, oder soll alles gedruckt werden?) Die Tätigkeit des Büros sei unkontrollierbar, Finanzen und Organisation undurchsichtig. Verantwortung und gegenseitige Verhältnisse zwischen den Beteiligten seien nicht geregelt, die Form nicht dreigliederungsgemäß.
Kritisch hinterfragt wird die Beziehung zwischen dem Netzwerk und der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (A.A.G.). Es wird unterstellt, das Netzwerk sei prinzipiell unter Ausgrenzung von Basis-Initiativen an die A.A.G. angebunden. "Wir befürchten, daß das Netzwerk [...] eine vormundschaftliche Dreigliederung" werden wird, wobei es "nicht eine Durchreiche für Dreigliederungsinitiativen ist, sondern für Direktiven der A.A.G."
Sodann wird unter dem Zwischentitel "Doch noch ein Meinungsaustausch: Internationales Arbeitswochenende" zu einem Meinungsaustausch eingeladen, der durch die Werkgemeenschap organisiert werden soll. Interessenten werden aufgefordert, sich mit dem Sekretariat der Werkgemeenschap schriftlich in Verbindung zu setzen unter der Adresse: Voorschoterlaan 78, 3062 KS Rotterdam (NL), Tel.: 020-922179. Zum Schluß wird die Arbeitsgemeinschaft kurz vorgestellt. "Die 'Werkgemeenschap' [...] arbeitet seit 17 Jahren im holländischen Sprachraum [...] Außer Einführungsgruppen, Vorträgen und Tagungen, einer Zeitschrift ('Driegonaal'), einem Informationsblatt ('De Korrespondent') und einem Verlag ('Nearchus'), entstand daraus 1985 eine zweijährige, von den Studenten selbst organisierte, Ausbildung für soziale Dreigliederung, die jetzt in ihrem dritten Turnus, jedesmal mit 30 bis 40 Studenten aus den Niederlanden, Belgien und Deutschland steht."
In seiner Antwort versucht C. Strawe, die Motive der Unterzeichner zu verstehen, macht aber aus seiner Enttäuschung über den Tenor des Briefs keinen Hehl. Er schildert den Versuch, in Vorbereitung der Stuttgarter Versammlung einen alle "Dreigliederungs-Strömungen" umfassenden Kreis von Menschen einzubeziehen. Die Versammlung sei eher unter Zeitdruck improvisiert, als strategisch vorgeplant gewesen.
Bei dem Treffen sei der ausdrückliche Wunsch fast aller Teilnehmer nach einer neuen Zusammenarbeitsform und der Schaffung des dafür notwendigen Koordinationsminimums mit seinem persönlichen Koordinations-Angebot zusammengetroffen. Beides zusammen habe sehr wohl einen Konstitutionsvorgang dargestellt, der sich in einer eindeutigen Willensbekundung niederschlug. Insofern schwebe die Tätigkeit des Büros nicht unkontrolliert im luftleeren Raum, sondern schließe die konkrete Verantwortung gegenüber alle Beteiligten ein.
Die Koordinationsstelle beanspruche keinerlei Anleitungskompetenz ("Kurs bestimmen"), wohl aber das Recht, auch Initiativen im Netzwerk, an denen der Koordinator selbst beteiligt sei (Aufruf) in angemessener Weise etwa im Rundbrief darzustellen, ohne daß damit eine Sprecherrolle für alle in Anspruch genommen würde. Dies ergebe sich aus dem Netzwerk-Grundgedanken der freien Zusammenarbeit in gegenseitiger Wahrnehmung der Initiativen.
Die Bildung des Netzwerks sei ein Prozeß, in dem alle Beteiligten gemeinsam die Formen ([die] gegenseitigen Verhältnisse und gemeinsamen Verantwortlichkeiten) immer weiter ausgestalten müßten.
Bei der Internationalität gehe es um die sich faktisch vollziehende Vernetzung über Ländergrenzen hinweg, ein Anspruch auf die "Erbschaft" der früheren internationalen Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung habe nie bestanden.
Die Rundbrief-Redaktion sei den Netzwerk-Lesern verpflichtet, die ein lesbares Organ verlangen können – was ohne individuelle redaktionelle Gestaltungsverantwortung nicht zu leisten sei.
Bei der Netzwerk-Gründung seien zahlreiche "Basis-Initiativen" – vom Verbund freier UnternehmensInitiativen bis zum Omnibus für direkte Demokratie – vertreten gewesen. Der Vorwurf der Fernsteuerung durch die A.A.G. wird ebenso zurückgewiesen wie jede Forderung nach Ausgrenzung der Anthroposophischen Gesellschaft aus der Dreigliederungsbewegung.
Der Brief endet mit dem Angebot zur Selbstdarstellung der Aktivitäten der Werkgemeenschap im Dreigliederungs-Rundbrief.